Henry David Thoreau, amerikanischer Philosoph und Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, schrieb über die Einfachheit des Lebens und über seine Auseinandersetzung damit. Und er sagte ganz schlicht: „Sobald sich meine Beine bewegen, beginnen meine Gedanken zu fließen.“ Dort will dieser Text Sie hinführen, zu der Einfachheit und auch Sinnhaftigkeit des Gehens. Gehen, diese Form der Fortbewegung, die körperlich wohltuend ist, und dessen die meisten von uns mächtig sind. Als Kleinkind lernen wir es mühsam, stehen immer wieder auf, eignen es uns an und können dann unseren Radius vergrößern und die Welt entdecken. Wenn nicht körperliche Einschränkungen es verhindern, ist es für den Menschen ein einfaches Mittel, sich zu bewegen, voranzukommen. Wir müssen nicht joggen oder Extremmärsche vollbringen, wir dürfen uns selbst zum Spaziergang einladen, zur leichten Wanderung. Mehr muss es nicht sein, um in Bewegung zu kommen und sich selbst, und so vielleicht auch die Natur, zu erleben.
Von damals und heute
Thoreau versuchte damals, den Anfängen der industrialisierten Gesellschaft zu entfliehen, aber nicht im Sinne einer Weltflucht. Er wollte die menschliche Existenz erforschen, dem „richtigen“ Leben begegnen und erfahren, was es für ihn selbst heißt, sich auf das Wesentliche zu beschränken. Damit ging es ihm schon damals darum, ein bewusstes Leben zu führen. Über diese Zeit schrieb er einen der Klassiker der amerikanischen Literatur „Walden“. Indem er sich einem einfacheren Leben aussetzte, hat sich sein Leben verlangsamt. Die Haltung der Achtsamkeit im heutigen Sinne war noch nicht in aller Munde, wahrscheinlich hat er sie dennoch erlebt. Diese Kunst, da zu sein. „Sie sind wach, haben Energie und könnten etwas unternehmen, wenigstens planen oder nachdenken. Aber Sie entscheiden sich, einfach nur da zu sein: im Kontakt mit Ihrer Umgebung und mit Ihren Empfindungen und Gedanken, offen, empfangsbereit, ein wenig experimentierfreudig.“
Heute
Und wenn wir uns beim Gehen in der Haltung der Achtsamkeit üben, kann es uns gelingen, auch in anstrengenden Zeiten auf einfachem Weg uns selbst zu beobachten und bewusst und im gegenwärtigen Moment zu sein. Der bekannte buddhistische Lehrer Thich Nhat Hanh fasste es so zusammen: „Beim Gehen bringen wir Geist und Körper zusammen. Wer geht, kommt nach Hause, kommt zu sich selbst zurück.“
Wandeln, ein mittlerweile antiquierter Begriff, der ein langsames Gehen meint, beinhaltet auch die Bedeutung, dass mit dem Wandeln eine Veränderung in dem Gehenden geschieht, eine Wandlung, Verwandlung. Und der Neurowissenschaftler Shano o’Mara hat in seinem Buch „Das Glück des Gehens“ viele Aspekte des Gehens mit seine positiven Wirkungen beschrieben. So beispielsweise, dass als soziale Folge des Gehens die Verbundenheit mit anderen wächst. So wird durch das regelmäßige bewusste Gehen auch eine Stärkung der Resilienz erreicht.
Bewusstes gehen üben
Mit Gehmeditationen, zu denen man im Internet viele Anleitungen findet, lässt sich das bewusste Gehen üben. Vielleicht genügt es aber auch, beim nächsten Spaziergang die Aufmerksamkeit zu lenken, auf das, was Sie in diesem Moment tun, einen Fuß bewusst vor den anderen zu setzen – egal wohin Sie gehen.
Und um noch einmal Thich Nhat Hanh zu zitieren: „Jeder Schritt bringt dich ins Jetzt, in den einzigen Moment, in dem du tatsächlich lebst.”
Dass Sie dafür die Zeit finden, das wünsche ich Ihnen.
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